Fokus O.-Infoabend zur Schließung der Raiffeisen-Filialen

Banken geloben Zuverlässigkeit

Die Verärgerung ist dem Oberurseler anzumerken. Die Pläne der Raiffeisenbank (RaiBa) ab 1. Dezember ihre Filialen im Kreis zu schließen und das Firmenkundengeschäft stark einzuschränken seien „eine Frechheit“, findet der Unternehmer. „Die Bank will sich aus dem anstrengenden Geschäft zurückziehen und setzt aufs große Geld im Immobilienbereich. Was mit dem kleinen Sparer passiert, ist egal. Den Kunden wird von heute auf morgen die finanzielle Basis entzogen“, echauffiert sich der Mann, der einen kleinen Handwerksbetrieb führt. Die Filialen nutze er zwar nur zum Geldabheben am Automaten, aber darum gehe es ihm nicht. „Das Problem ist das Geldgeschäft. Viele Firmen buchen bei mir direkt per Einzugsermächtigung ab. Nun bin ich gezwungen, die Bank zu wechseln und muss alles ändern. Das ist großer Aufwand.“ Er ist nicht der einzige, den die Bankpläne aufschrecken. „Wir hatten viele Anfragen von Mitgliedern“, berichtet Fokus O.-Vorstandsmitglied Benjamin Müller. „Die Leute wollten wissen, wie es weitergeht und wo sie künftig ihre Einnahmen hinbringen sollen.“

Er steht am Dienstagabend mit Vertretern von Frankfurter Volksbank, Taunus Sparkasse und Nassauischer Sparkasse im Hotel Rilano. Dorthin haben Gewerbeverein und Banken – allesamt Fokus O.-Mitglieder – zu einer Art Kennenlernabend geladen, auf dem Gewerbe- und Privatleute die Möglichkeit haben die Kreditinstitute kennenzulernen und im direkten Gespräch auszuloten, welches am besten zu ihnen passt. Rund 30 Leute sind gekommen, die meisten RaiBa-Kunden, die mit einem Bankwechsel liebäugeln. Die RaiBa hatte angekündigt, sich aus dem Firmenkundengeschäft zurückzuziehen, alle Filialen im Kreis zu schließen und damit auch den Bargeldverkehr an Schaltern und Geldautomaten einzustellen. „Meine Bank“, wie sie sich auch nennt, setzt künftig auf Digital Banking und überregionale gewerbliche Immobilienfinanzierung. Sämtliche Berater ziehen in Bad Homburg in ein neues Beratungszentrum.

Für Firmenkunden heißt das, dass sie künftig keine Kontokorrentkredite oder Darlehen mehr erhalten. Zum 31. März werden betroffenen Kunden die Kontokorrentlinien – befristet eingeräumte und betragsmäßig begrenzte Kredite zur Überbrückung – gekündigt.

Für Andrea Beuss ein Grund, die Bank zu wechseln. „Gerade in Corona-Zeiten ist es ohne Kontokreditlinie viel zu riskant. Das geht nicht“, sagt die Inhaberin des Oberstedter Hotels „Beuss“. Vater Erwin Adolph pflichtet bei. Ein Gewerbe ohne Kontokreditlinie zu betreiben ist unmöglich“, sagt der Oberstedter, der mehrere Immobilien verwaltet und diese über die Bank finanziert hat. Er brauche ja auch die Sicherheit, dass die Bank langfristig hinter ihm stehe. „Ich will Wärmepumpen in die Immobilien und auch ins Hotel meiner Tochter einbauen lassen. Das macht man nicht, wenn man nicht auf der sicheren Seite ist“, sagt er.

Entspannter ist ein Teilnehmer, der einen Buchführungsservice betreibt. „Ich weiß noch nicht, ob ich mir eine neue Bank suche“, sagt er. Die Bank kündige den Betrieben ja nicht die Konten, sondern ziehe sich nur aus dem Dispobereich zurück. Die Ankündigung sei dennoch „ungewöhnlich“ gewesen: „Es gibt immer mehrere Lösungen. Es wäre nicht nötig gewesen, alle Filialen zu schließen.“ So etwas werde es bei ihnen nicht geben, versprechen die drei Banken unisono. „Wir sind da und werden bleiben“, sagt der Chef der Oberurseler Taunus Sparkasse, Mario Rimac, und auch seine Kollegen Thomas Häuser von der Frankfurter Volksbank und Anja Althans von der Nassauischen Sparkasse versichern, weiter als „aktive Dienstleister für Gewerbe- und Firmenkunden sowie Privatleute“ zur Verfügung zu stehen. Und eins ist klar: Nur Digitalservice ist den meisten Gewerbetreibenden zu wenig. flon

Quellenangabe: Taunus Zeitung vom 03.11.2022, Seite 10